Veröffentlicht am: 24.08.2024 um 12:00 Uhr:
Bundesregierung: Rede von Kanzler Scholz beim Spatenstich zur TSMC-Halbleiterfabrik
» Bundeskanzler Scholz hat das Gelände der zukünftigen TSMC-Fabrik in Dresden besucht. Der taiwanesische Halbleiterhersteller TSMC will sich mit einer Milliardeninvestition am Aufbau einer Chipproduktion in Dresden engagieren.
Das Wichtigste im Überblick:
- Halbleiter sind der Treibstoff des 21. Jahrhunderts. Daher ist es eine gute Nachricht, dass TSMC und seine europäischen Partner mit dem European Chips Act die nötigen Anreize haben, in Deutschland zu investieren. Die in Dresden gefertigten Chips helfen mit, gute Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Sie machen die deutsche Wirtschaft widerstandsfähiger – vom Großkonzern bis zum Mittelstand.
- Mit TSMC kommt ein echter Pionier nach Dresden, den Ort der europäischen Chip-Industrie. Denn: Mehr als 80.000 Beschäftigte in und um Dresden sind jetzt schon in der Mikroelektronik- und IT-Branche tätig.
- Generell ist der Industriestandort Ostdeutschland ein hochinnovativer Impulsgeber. Das zeigen unter anderem die Milliardeninvestitionen in Sachsen und Sachsen-Anhalt: von Bosch, Infineon, NXP – und natürlich von TSMC.
- Insbesondere für nachhaltige Zukunftstechnologien sind Halbleiter wichtig. Um nicht abhängig von anderen Weltregionen zu sein, ist es daher wegweisend, dass sich Chip-Fabriken in Deutschland und Europa ansiedeln und die Halbleiter-Kapazitäten wachsen.
- Bis 2030 soll ein Fünftel der weltweiten Halbleiterproduktion in Europa stattfinden. Die Bundesregierung steht hinter diesem Ziel und leistet mit vielen Projekten einen entscheidenden Beitrag zur europäischen Souveränität in dem strategisch entscheidenden Sektor Halbleiter.
Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede:
Dear C. C. Wei,
sehr geehrter Herr Hanebeck,
sehr geehrter Herr Sievers,
sehr geehrter Herr Asenkerschbaumer,
sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin, liebe Ursula,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für die Einladung nach Dresden! Zu allererst möchte ich die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company noch einmal offiziell hier in Deutschland, hier in Europa begrüßen. Herzlich willkommen, TSMC! Wir freuen uns ganz besonders darüber, dass Sie sich für unser Land entschieden haben. Wir sind begeistert, dass ein so wichtiger Akteur der weltweiten Halbleiterszenerie jetzt hier bei uns einen Standort errichtet. Mit TSMC kommt ein echter Pionier mit einer langen Geschichte nach Dresden. Sie kommen an den richtigen Ort. Hier in Dresden schlägt das Herz der europäischen Chipindustrie. Zugleich wertet Ihr Kommen dieses Mikroelektronikcluster noch weiter auf.
Ich habe schon oft betont, warum Investitionen in die Halbleiterindustrie in Deutschland und in Europa so wichtig sind. Man kann es aber gar nicht oft genug sagen. Halbleiter sind der Treibstoff, das Erdöl, des 21. Jahrhunderts, eines Jahrhunderts, das wirtschaftlich und industriell von zwei Megatrends geprägt ist, nämlich von der umfassenden Digitalisierung unseres Lebens und von der Dekarbonisierung, dem weltweiten Abschied von den fossilen Energieträgern, von Erdöl, Erdgas und Kohle. Wer bei diesen beiden Megatrends vorn dabei sein will ‑ das wollen und das können wir ‑, der braucht vor allem eines: Halbleiter.
Für Deutschland als Industrieland ist das eine, wenn nicht gar die zentrale Zukunftsfrage. Genau deshalb ist heute die Innovationskraft der Männer und Frauen so entscheidend, die in Unternehmen wie TSMC, Bosch, Infineon und NXP tätig sind. Ganz herzlichen Dank für Ihre wichtige Arbeit!
Meine Damen und Herren, wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt. Wir wollen ein führendes Industrieland bleiben. Zugleich sind wir auf gutem Weg, schon 2030 80 Prozent unserer Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Im Jahr 2045 soll Deutschland dann vollständig klimaneutral sein. Das schaffen wir nur mit Anstrengungen in allen Bereichen unseres Lebens und Wirtschaftens. Das schaffen wir nur, wenn wir Windkraft und Photovoltaik ausbauen, und zwar in dem Tempo, das wir in den letzten zwei Jahren erreicht haben. Das schaffen wir nur mit klimaneutraler Mobilität. Alle diese Bereiche haben aber eines gemeinsam: Sie brauchen Halbleiter, sehr, sehr viele Halbleiter, immer mehr Halbleiter.
Nur als Beispiel: Schon heute stecken in einem durchschnittlichen E-Auto mindestens doppelt so viele Chips wie in einem Verbrenner. Auch für unsere Übertragungsnetze und für jede KI-Anwendung brauchen wir sie.
Um es ganz klar zu sagen: Wachstum und Wohlstand, Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung, das alles wird uns auch in Zukunft gelingen, mit Halbleitern. Das ist gut für TSMC, das ist gut für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Wichtig aber ist nicht nur das, sondern auch, dass überhaupt weiter in die Halbleiterindustrie investiert wird. Wichtig ist auch, dass die Halbleiterkapazitäten besonders hier bei uns in Europa und in Deutschland wachsen. Der Grund ist einfach. Wenn wir nämlich feststellen, dass wir bei unseren nachhaltigen Zukunftstechnologien von Halbleitern abhängig sind, dann dürfen wir bei der Versorgung mit Halbleitern nicht von anderen Weltregionen abhängig sein, sondern dann brauchen wir Halbleiterfabriken hier bei uns in Europa, in Deutschland.
Dabei geht es nicht ‑ das will ich ausdrücklich sagen ‑ um Autarkie oder den Rückbau globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten. „Decoupling“, uns also von einzelnen Märkten abzukoppeln, das wäre ganz sicher der falsche Weg. Aber „derisking“, die kluge, vorausschauendes Diversifizierung unserer Bezugsquellen, den Ausbau eigener Kompetenzen und Kapazitäten, das brauchen wir.
Ich sage ganz bewusst Ausbau, nicht Aufbau. Denn Deutschland hat auf diesem Gebiet eine große eigene Tradition vorzuweisen. Dafür stehen schon die Namen der an diesem Projekt beteiligten Unternehmen. Auch Silicon Saxony ist nicht nach 1990 plötzlich vom Himmel gefallen. Hier in Dresden wurde erfolgreich an die Geschichte des VEB Kombinat Robotron in der DDR angeknüpft.
Um diese großen deutschen und europäischen Traditionen fortzuführen, müssen wir aufpassen, dass wir selbst weiterhin an der Spitze der Innovation dabei sind. Die EU-Kommission hat deshalb ein klares Ziel formuliert. Bis 2030 soll ein Fünftel der weltweiten Halbleiterproduktion hier bei uns in Europa stattfinden. Liebe Ursula von der Leyen, hinter diesem Ziel steht die Bundesregierung voll und ganz. Wir leisten mit diesem und vielen anderen Projekten einen entscheidenden Beitrag zur europäischen Souveränität in dem strategisch entscheidenden Sektor der Halbleiter. Den European Chips Act unterstützen wir nicht nur, wir treiben ihn aktiv voran und füllen ihn mit Leben.
Dazu trägt der heutige Tag entscheidend bei. Es ist eine tolle Nachricht, dass TSMC und seine europäischen Partner mit dem Chips Act im Rücken die nötigen Anreize haben, hier in Deutschland zu investieren. Die hier in Dresden gefertigten Chips helfen mit, gute Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Sie machen unsere Industrie vom Großkonzern bis zum Mittelstand widerstandsfähiger, und sie versorgen unsere Unternehmen mit den Bauteilen, die sie für die Industrie 4.0, für die Digitalisierung und für umweltfreundliche Technologien brauchen.
Meine Damen und Herren, noch einen Punkt will ich hier sehr klar ansprechen. Manche kritisieren, dass die Bundesregierung mit hohen Fördermitteln große und erfolgreiche Unternehmen bei ihren Investitionen unterstützt, und es werden viele Fragen aufgeworfen. Ich will deshalb vier klare Antworten geben.
Erstens: Wir brauchen die Halbleiter überall, in allen Branchen, in fast jedem Unternehmen. Jede einzelne Branche in Deutschland hat ein ganz direktes, ureigenes Interesse daran, dass ihr Zugang zu Halbleitern gesichert ist. Heute und mehr noch in der Zukunft gilt: Ohne Halbleiter keine Industrie, ohne Halbleiter keine Dienstleistungen. ‑ Deshalb unterstützen wir die Halbleiterherstellung.
Zweitens: Die Halbleiterfertigung ist eine der kapitalintensivsten Industrien überhaupt. Eine einzige Maschine kann mehrere hundert Millionen Euro kosten. Wenn wir diese Produktion in Europa haben wollen, wo sie nicht immer und unbedingt am günstigsten zu machen ist, dann müssen wir das finanziell ermöglichen. Wenn wir das nicht tun, dann tun es andere und wächst unsere Abhängigkeit. Auch deshalb unsere Unterstützung für die Halbleiterindustrie hier bei uns in Deutschland und in Europa.
Drittens: Mit der Förderung der Halbleiterindustrie unterstützen wir nicht nur die Halbleiterindustrie selbst. Rund um die neu entstehenden Fabriken entstehen ganze Netzwerke aus Forschung und Entwicklung, aus Start-ups und Zuliefererbetrieben. Hier bei Ihnen in Sachsen ist das besonders offensichtlich. Silicon Saxony ist mittlerweile weltweit ein Begriff. Diese Region zählt heute auf dem Gebiet Mikroelektronik und IT zu den forschungsstärksten Regionen überhaupt. Mehr als 80 000 Beschäftigte sind heute schon hier rund um Dresden in dieser Branche tätig. Das sind mehr als 80 000 gut bezahlte, zukunftssichere Jobs.
Ich bin dem sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig sehr dankbar dafür, dass er zwischen der Handwerkskammer, der IHK und den großen Chipunternehmen eine Verabredung vermittelt hat, die dazu führt, dass die großen Investitionen und die neuen Fachkräfte auch in kleinen Unternehmen, bei den KMU ankommen. Darüber wurde eben schon berichtet. Das ist, wie ich finde, ein guter Fortschritt und eine gute Botschaft an den Mittelstand in Sachsen. Das neue TSMC-Halbleiterwerk wird dieser Entwicklung einen zusätzlichen Schub verleihen und die Wirtschaftskraft der gesamten Region weiter stärken. Deshalb unterstützen wir die Halbleiterindustrie.
Viertens: Um die neuen Fabriken herum siedeln sich weitere Unternehmen an, von denen es viele ohne diese Fabriken gar nicht gäbe. Das sind Unternehmen, die etwa im Design oder in der Softwareentwicklung aktiv sind, in der Wartung oder in der Verpackung. Auch die Zulieferer haben wiederum ihre Zulieferer. Die Baubranche profitiert, Handwerk und Gewerbe profitieren, Cateringbetriebe und Dienstleister aller Art profitieren, bis hin zu Einzelhandel und Gastronomie vor Ort. Ja, auch deshalb unterstützen wir die Halbleiterindustrie. Diese Unterstützung setzen wir fort, auch in den kommenden Jahren.
Meine Damen und Herren, jeder Region tut es gut, wenn sie sich weiterentwickelt, wenn sie kluge Köpfe und fleißige Hände anzieht. Genau das erleben wir hier gerade. Dass wir den heutigen Spatenstich für ein weiteres zukunftsweisendes Projekt hier in Dresden feiern, ist Teil einer besonderen Erfolgsstory Ost. Der Industriestandort Ostdeutschland, das ist heute eben nicht mehr nur die sprichwörtliche verlängerte Werkbank, sondern das ist ein hochinnovativer Impulsgeber. Das zeigen die Milliardeninvestitionen in Sachsen und Sachsen-Anhalt von Intel, von Bosch, von Infineon, von NXP und natürlich von TSMC. In Thüringen wird in Batterien investiert. Brandenburg boomt mit Elektroautos. Mecklenburg-Vorpommern ist etwa bei der Geothermie vorn dabei.
Auffällig ist: Gerade in traditionellen Industrieregionen entstehen heute wieder hochmoderne Schlüsselindustrien. ‑ Sachsen ist ein Paradebeispiel dafür: Jeder dritte in Europa gefertigte Chip kommt hier aus dieser Region. ‑ Es ist gut, dass diese Entwicklung mit dem heutigen Spatenstich weitergeht.
Aber das will ich an dieser Stelle ebenfalls klar sagen: Damit diese positive Entwicklung auch zukünftig weitergeht, müssen auch die gesellschaftlichen und die politischen Bedingungen weiterhin stimmen. Dafür brauchen wir weiterhin Offenheit für Investitionen und Lust auf Zukunft statt Abschottung und Zukunftsangst. Dafür brauchen wir weiterhin ein proeuropäisches und weltoffenes Deutschland statt Nationalismus und Ressentiments. Weltoffenheit und Zuversicht, wenn wir uns das bewahren, wenn wir das verteidigen, dann wird diese Großinvestition sicherlich nicht die letzte sein, die wir in Silicon Saxony und in Ostdeutschland erleben.
In diesem Sinne wünsche ich TSMC mit seinen Partnern gutes Gelingen für dieses wichtige Projekt und uns allen weiterhin viel Erfolg bei unseren gemeinsamen Aufgaben.
Schönen Dank! «
Quelle: Pressemitteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 20. August 2024