Veröffentlicht am: 14.05.2023 um 21:59 Uhr:

Fotografie: Vorratshaltung

Kennen Sie auch das von Winfried Warnke in seiner fotoMAGAZIN vorgestellte Szenario?

» Fotoausrüstungen haben einen starken Hang zur Selbstvermehrung. Es gibt scheinbar zwingende Gründe, warum die Ausrüstung erweitert werden muss; die wenigsten sind überzeugend. Finanzielle Grenzen werden leichtfertig schöngeredet, denn die persönliche fotografische Entwicklung rechtfertigt alles. Da entdeckt man plötzlich seine Liebe zu Mond-Fotos und die lange Tüte kommt in den Einkaufswagen, Naturverbundenheit ist Trend und das Makro zwingend nötig. Die Kinder treiben Sport und das lichtstarke Tele soll es dokumentieren. Überhaupt braucht man immer mehr Lichtstärke, da Aufnahmen bei Kerzenschein heute zum Standard-Repertoire gehören. Und da Bokeh das Zauberwort für kreative Fotografie ist, wird so eine Linse auf jeden Fall auch benötigt. Neben der Vollformat-Spiegelreflex, die ja nicht immer mitgeschleppt werden soll, kommt die leichtere, hochwertige Ausrüstung dazu, ergänzt durch die Kompakte für Urlaub und Städtetouren. Der Foto-Park wächst rasant. Dummerweise konstruieren die Foto-Ingenieure immer interessantere Sachen, die natürlich für tolle Fotos gebraucht werden. So wird das ältere Gehäuse zum dringend benötigten Backup-Body und das noch ältere zum Ur-Backup.

Irgendwann sind die alten Sachen im Schrank Sammelobjekte. Dann wird Tabula rasa gemacht und der Secondhand-Markt mit Ware versorgt – selbstredend werden die Erlöse sofort in neues Equipment reinvestiert. Noch radikaler ist der finanziell schmerzhafte Systemwechsel: Hier fängt man wieder ganz von vorne an und alles wiederholt sich – bis zum nächsten Mal.

Sammeln ist ein archaischer Urtrieb, die Vorräte beruhigen und schaffen Sicherheit. Die Furcht vor verpassten, einmaligen Fotomöglichkeiten ist immens. Merkwürdig, dass vor Ort - trotz der vorhandenen Mega-Ausrüstung – ausgerechnet die geeignete Linse zuhause im Schrank steht. Dem Vermehrungsautomatismus tut das keinen Abbruch, kindliches Haben-wollen steht im Vordergrund. Gibt es Hilfe? Wohl kaum, denn jedem Hobby ist irrationales Verhalten innewohnend. Vernünftig ist der Fotograf sonst schon genug. «


Quelle: Kolumne Winfried Warnke im fotoMAGAZIN 1/2017

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