Veröffentlicht am: 09.06.2023 um 18:25 Uhr:

Fotografie: Bildbetrachtungen

In der Ausgabe 4/2018 des fotoMAGAZIN hat sich der Kollumnist Manfred Zollner zu einem schweren Thema Gedanken gemacht...

» Die Anschuldigungen sind mittlerweile auf dem Tisch. In der gegenwärtigen #metoo-Debatte gibt es wie bereits gemeldet Anklagen von Models gegen Bruce Weber, Terry Richardson und Mario Testino. Verurteilt ist wohlgemerkt noch keiner. Die Hamburger Deichtorhallen haben dennoch eine geplante Ausstellung mit Aufnahmen von Bruce Weber fürs Erste verschoben – und damit die nächste Debatte angestoßen. Wie sollte man mit Bildern von Künstlern umgehen, die sich tatsächlich eines Vergehens schuldig gemacht haben: Sollten diese nicht mehr in Museen und Magazinen gezeigt werden? Mit dieser Überlegung gehen eine Reihe weiterer Fragen einher. Wird der Künstler nun vollends mit einem Bann belegt oder lediglich jene Bilder, die mit einem Skandal direkt in Verbindung gebracht werden können? Zensiert man gar alle Fotos, die entstanden sind, nachdem sich der Fotograf eines Vergehens schuldig gemacht hat? Denken wir die Sache ein wenig weiter: Ändert sich der Wert einer Arbeit mit dem Wissen um die Person? Kann, darf und soll man Künstler und Werk voneinander trennen? Wenn ja, müssen dann nicht auch die berühmten Renaissance-Gemälde Caravaggios sofort aus unseren Museen entfernt werden? Der Mann war schließlich ein Mörder. Für mich wäre bei der momentanen Debatte die Grenze des Erträglichen erreicht, wenn Fotos des Mißbrauchsopfers eines Fotografen aus einem Shooting eben dieses Bildermachers veröffentlicht würden. Auch einige der weichgezeichneten Aktfotos minderjähriger Mädchen wie sie noch in den 1970er-Jahren verbreitet waren, finde ich aus heutiger Perspektive mehr als problematisch. Als ältere Herrschaften unter dem Vorwand der Kunst nackte Nymphchen im sexualisierten Kontext darstellten und sich ihnen annäherten. Auch hier gibt es einen konkreten Fall: Der Maler Balthus fertigte explizite Polaroids seiner Mädchenmodels an. Seine Gemälde hängen heute in einigen der bedeutendsten Museen der Welt. Eine Essener Ausstellung seiner Sofortbilder wurde vor Jahren jedoch in letzter Minute abgesagt. Diese Bilder schienen der Öffentlichkeit dann doch nicht zumutbar. «


Quelle: Kolumne "Zollner Zeilen" im fotoMAGAZIN 4/2018

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