Veröffentlicht am: 11.08.2023 um 20:22 Uhr:

Bundesregierung: Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, zum Aus- und Weiterbildungsförderungsgesetz

Zum Aus- und Weiterbildungsförderungsgesetz hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, nachfolgende Rede vor dem Deutschen Bundestag am 23. Juni 2023 in Berlin gehalten...

» Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der Deutsche Bundestag hat eben mit der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung über das Gesetz zum Einwanderungsrecht wirklich Geschichte geschrieben. Wir haben heute Morgen sehr intensiv darüber diskutiert, dass wir ergänzend zu den inländischen Potenzialen qualifizierte Einwanderung nach Deutschland brauchen. Aber wir müssen vorrangig auch die inländischen Potenziale heben.

Das betrifft vor allen Dingen das Thema Ausbildung. Wir reden über Arbeits- und Fachkräftemangel in vielen Branchen und Regionen angesichts der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt, aber gleichzeitig haben 1,6 Millionen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren keine abgeschlossene Berufsausbildung. Ich kann Ihnen sagen: Die sehe ich zum einen als Arbeitsminister, zum anderen sehe ich sie später auch als Sozialminister wieder, weil mittlerweile zwei Drittel der langzeitarbeitslosen Menschen in diesem Land keine abgeschlossene Berufsausbildung haben.

Diesen Menschen geben wir mit dem Bürgergeld, das übrigens zum 1. Juli in angepasster Form mit neuen Instrumenten in Kraft treten wird, neue Chancen auf das Nachholen eines Berufsabschlusses und auf Qualifizierung, um sie dauerhaft in Arbeit zu bringen. Aber es ist doch viel besser, dieser Entwicklung den Nachschub abzugraben. Das tun wir heute mit der Einführung einer Ausbildungsgarantie.

Teil des Gesetzes ist die Einführung einer Ausbildungsgarantie, die im Einzelnen dafür sorgt, dass wir vor allen Dingen die Berufsorientierung in diesem Land verbessern. Wir haben inzwischen die Situation, dass mehr als die Hälfte eines Schuljahrgangs Abitur macht. Ich habe nichts dagegen. Der elterliche Wunsch, dass die Kinder eine akademische Ausbildung machen, ist sehr, sehr groß, aber nicht immer richtig. Viele junge Menschen, die eine akademische Ausbildung beginnen und das Studium dann abbrechen, müssen wir mühsam für die Berufsausbildung zurückgewinnen. Ja, wir brauchen Master in diesem Land, aber wir brauchen auch Meisterinnen und Meister.

Erstens: Mit diesem Gesetz stärken wir die Berufsorientierung und sorgen dafür, dass auch der Wert der beruflichen Ausbildung durch Berufsorientierung vermittelt wird.

Zweitens: Wir unterstützen bei der Mobilität, weil wir durchaus regionale Unterschiede haben. Wir haben Regionen, in denen Unternehmen händeringend Auszubildende suchen und keine finden, und wir haben andere Regionen, die strukturschwach sind, in denen junge Menschen sich die Finger wund schreiben, um eine Ausbildung zu bekommen. Deshalb ist es richtig, auch bei der Mobilität zu unterstützen, beispielsweise bei Heimfahrten und bei Mobilitätskosten.

Ich bin auch froh, dass die Kollegin Geywitz mit dem Programm „Junges Wohnen“ das Thema Azubi-Wohnheime angeht. Die brauchen wir in diesem Land; es geht nicht nur um studentisches Wohnen.

Wir verbessern die Einstiegsqualifizierung für benachteiligte junge Leute, die wertvolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden können. Und wenn alle Stricke reißen, gibt es in unterversorgten Gebieten jetzt auch einen Rechtsanspruch auf außerbetriebliche Ausbildung. Unser Ziel muss sein, dass niemand von der Schulbank ins Nichts fällt, sondern dass wir den jungen Menschen die Chance geben, über eine Ausbildung in ein selbstbestimmtes Erwerbsleben zu kommen.

Das ist vor allen Dingen auch in der Bildungs- und in der Gesellschaftspolitik ein Thema. Aber ich sage Ihnen auch: Wir haben Instrumente, um auch jungen Menschen, die es zu Hause nicht so leicht hatten, bei denen es in der Schule nicht so geklappt hat, eine Chance zu geben – Stichwort „Einstiegsqualifizierung“. Diese Koalition macht deutlich – gegenüber der deutschen Wirtschaft, aber vor allen Dingen gegenüber den jungen Leuten –: Wir geben niemanden auf. Wir sind eine Koalition der Chancen. Wir wollen, dass Menschen selbstbestimmt leben können, und sorgen dafür, dass sie über eine gute Ausbildung in Erwerbsarbeit kommen.

Aber so richtig es ist, dass eine ordentliche Ausbildung immer noch eine gute Eintrittskarte in ein selbstbestimmtes Erwerbsleben ist, so richtig ist auch: Es ist kein Dauerabo mehr; denn Wirtschaft und Arbeitswelt ändern sich in den nächsten Jahrzehnten rasant. Der ökologische Umbau der Industriegesellschaft, aber vor allen Dingen auch die Digitalisierung, der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Wirtschaft und in der Arbeitswelt, werden dazu führen, dass sich in vielen Bereichen Tätigkeitsanforderungen auch an qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verändern.

Deshalb habe ich immer gesagt – und wir lösen das heute ein –: Deutschland muss nicht nur eine Ausbildungsrepublik sein. Deutschland muss eine Weiterbildungsrepublik werden. Und dafür schaffen wir Instrumente. Im Einzelnen sorgen wir wie folgt für eine Unterstützung von Unternehmen bei diesem Wandel, vor allen Dingen kleiner und mittelständischer Unternehmen:

Erstens wird der Transformationszuschuss als Basisinstrument für alle Unternehmen geöffnet, um sie mit Mitteln der Bundesagentur für Arbeit bei den eigenen Weiterbildungsanstrengungen und -investitionen zu unterstützen. Dieser steht jetzt allen Unternehmen offen. Es gibt drei Stufen, je nach Größe. Wir entbürokratisieren dieses wichtige Instrument, weil wir Unternehmen unterstützen wollen, und leisten damit auch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung, damit die Beschäftigten von heute auch die Arbeit von morgen machen können.

Zweitens: Wir schaffen ein neues Instrument: das Qualifizierungsgeld, früher bekannt als Transformationskurzarbeitergeld. Es geht darum, dass wir bei Unternehmen, die schon heftiger von der Transformation betroffen sind, beispielsweise Zulieferunternehmen in der Automobilindustrie, im Rahmen einer betrieblichen Sozialpartnerschaft zwischen Unternehmen und Betriebsrat Weiterbildung fördern können. Was mich besonders freut, ist, dass dieses neue Instrument im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens so weiterentwickelt wurde – vor allen Dingen auf Druck meiner Fraktion –, dass tatsächlich auch die Berufsspezialisten umfasst sind, das heißt, dass aus Gesellen Berufsspezialisten werden können. Das ist ein Beitrag für wirtschaftlichen Wohlstand und für den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit. Das Qualifizierungsgeld ist ein wichtiges Instrument. Ja, wir haben noch das konjunkturelle Kurzarbeitergeld. Wir wollen immer noch den Anreiz setzen, dass das, wo immer es geht, in Krisen auch mit Weiterbildung verknüpft wird.

Heute ist ein guter Tag für Fachkräftesicherung in Deutschland. Das nächste Jahrzehnt wird ein Jahrzehnt der Fachkräftesicherung sein müssen angesichts der demografischen Entwicklung. Wir ziehen alle inländischen Register. Aus- und Weiterbildung sind wichtig. Wir haben heute ein Gesetz für qualifizierte Einwanderung beschlossen. Deshalb kann ich sagen: Der heutige Tag ist der, an dem der Deutsche Bundestag die Weichen richtig stellt und das kommende Jahrzehnt zu einem Fachkräftesicherungsjahrzehnt macht – für Wohlstand, soziale Sicherheit und den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland. Ich bitte um Zustimmung.

Herzlichen Dank. «


Quelle: Bulletin 73-3 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 26. Juni 2023

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