Veröffentlicht am: 22.11.2023 um 16:19 Uhr:

Bundesregierung: Rede der Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock, zur China-Strategie der Bundesregierung

Zur China-Strategie der Bundesregierung hat die Bundesministerin des Auswärtigen, Annalena Baerbock, nachfolgende Rede vor dem Deutschen Bundestag am 28. September 2023 in Berlin gehalten...

» Schönen Guten Morgen!
Guten Morgen, Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„China ist unsere größte Sicherheitsherausforderung.“ In Afrika „möchten wir alte Fesseln nicht durch neue ersetzen.“ „Wir brauchen China zur Eindämmung der Klimakrise.“ – Das sind drei unterschiedliche Zitate: von einer Kollegin aus Asien, vom nigerianischen Präsidenten in seiner Rede vor der Generalversammlung in New York und von einer Vertreterin der Vereinten Nationen, als wir letzte Woche alle zusammen in New York waren.

Das zeigt: Nicht nur uns treibt der Umgang mit China massiv um, sondern auch den allergrößten Teil unserer Partner weltweit. Denn China verändert sich: als Partner, als Wettbewerber und zunehmend als systemischer Rivale.

Da China bekanntermaßen nicht irgendein Land ist – es ist Heimat für 1,4 Milliarden Menschen, unser größter Handelspartner und mittlerweile eine der größten Militärmächte weltweit –, ist es nicht verwunderlich, dass uns alle weltweit die jüngsten Nachrichten aus der Region erneut so aufwühlen. Die chinesischen Außen- und Verteidigungsminister wurden abgesetzt beziehungsweise sind einfach nicht mehr da. Es gibt eine handfeste Immobilienkrise und wohl auch Jugendarbeitslosigkeit; Peking lässt die Zahlen aber nicht mehr veröffentlichen.

Dann gibt es das große Thema der Außenpolitik. Einerseits gibt es – und das ist erleichternd für alle auf dieser Welt – endlich ein Aufeinanderzugehen zwischen den USA und China, andererseits von der chinesischen Regierung Unterstützung für Assad, diplomatische Beziehungen zu den Taliban und ein immer offensiveres Vorgehen im Indopazifik.

Dazu gehört auch die neue Landkarte, die die chinesische Regierung gerade veröffentlicht hat. Sie ist hier bei uns überhaupt nicht auf der Tagesordnung gewesen, hat aber die Menschen in der Region des Südchinesischen Meers massiv beschäftigt. Denn wenn man auf diese Karte schaut, sieht man: Das sind Ansprüche, die fast das gesamte Südchinesische Meer bis unmittelbar vor die Küsten der anderen Anrainerstaaten betreffen und Territorialkonflikte mit weiteren Nachbarstaaten unterstreichen, interessanterweise auch mit Russland.

Wir dürfen diese Entwicklung weder übersehen noch übergehen. Wie wir uns hier in Zukunft aufstellen, und zwar gemeinsam mit unseren Partnern, zuvorderst in der EU, aber auch weltweit, das ist ein Prozess, den wir in der Bundesregierung, aber auch hier im Hohen Haus bereits intensiv begonnen haben.

Ich möchte daher an dieser Stelle herzlichen Dank sagen den Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, insbesondere dem Auswärtigen Ausschuss, aber auch den vielen anderen Ausschüssen für die gemeinsame Arbeit an unserer China-Strategie. Drei Punkte möchte ich in der Kürze der Zeit hier hervorheben.

Erstens: Die Minimierung von Risiken, also De-Risking und kein Decoupling. Das setzen wir bereits in den ganzen letzten Monaten gemeinsam um, und zwar zwischen und mit allen Ressorts. Zentral dafür ist, dass wir unsere wirtschaftlichen Beziehungen breiter aufstellen, uns also weiter diversifizieren. Darum geht es in der Wirtschaftssicherheitsstrategie der EU und auch in unseren vielen Gesprächen in den unterschiedlichen internationalen Organisationen, jüngst, wie gesagt, in New York.

Mit meiner australischen Kollegin Penny Wong habe ich zum Beispiel darüber gesprochen, dass Australien mehr als die Hälfte des weltweiten Lithiums fördert; aber 90 Prozent dieses Lithiums gehen dann zur Weiterverarbeitung direkt nach China. Das ist auch für Australien ein enormes Problem. Wir als EU wiederum importieren 90 Prozent unseres Lithiumbedarfs aus China, anstatt die Beziehungen direkt zu Australien zu haben. Risikominimierung heißt also, diesen Umweg in Zukunft weniger zu gehen, indem wir die Weiterverarbeitung von kritischen Rohstoffen in Förderstaaten wie zum Beispiel Australien vorantreiben.

Offensichtlich passiert das nicht einfach so. Wir haben ja auch immer die Gespräche: Was hat Politik damit überhaupt zu tun? Wenn es einfach so der Logik folgen würde, dann würde dieser Umweg ja nicht seit Jahrzehnten genommen werden. Deswegen braucht es eine aktive Wirtschaftssicherheitspolitik, und deswegen setzen wir uns, insbesondere der Wirtschaftsminister Robert Habeck und unser Auswärtiges Amt, aber auch andere Kollegen, intensiv dafür ein, dass wir unsere Wirtschaftssicherheitspolitik gemeinsam vorantreiben.

Der zweite Punkt ist, auch bei uns zu Hause anzufangen und unsere einseitigen Abhängigkeiten zu reduzieren, etwa indem wir ausländische Investitionen in Deutschland noch sorgsamer prüfen. Zum Beispiel haben wir als Bundesregierung gerade die vollständige Übernahme eines deutschen Satellitenunternehmens durch chinesische Investoren untersagt. Die jetzt kommende EU-Regelung zur Abwehr von wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen spielt hier auch eine Rolle.

Das ist auch immer wieder wichtig: Wir sollten unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Gemeinsam haben wir in der EU ein unheimlich starkes Werkzeug: unseren gemeinsamen europäischen Binnenmarkt. Auch die chinesischen Unternehmen brauchen diesen gemeinsamen europäischen Markt, so wie wir andererseits nicht auf den chinesischen Markt verzichten können.

Daher dürfen uns auch aus wirtschaftlichen Gründen Spannungen um Taiwan nicht egal sein. Eine militärische Eskalation wäre inakzeptabel und würde auch unsere eigenen Wirtschaftsinteressen massiv berühren.

Dritter Punkt: Bei alldem – auch das unterstreichen wir in unserer China-Strategie –: Die Welt ist sicherer und besser, wenn wir gemeinsam zusammenarbeiten auf der Grundlage von fairen Regeln. Das bieten wir allen Ländern immer an, auch China. Deswegen unterstreichen wir in dieser China-Strategie: Wir wollen überall dort kooperieren, wo das möglich ist, aber auf der Grundlage von gemeinsamen und fairen Regeln.

Deswegen ist es für uns auch so wichtig, bei den globalen Fragen „Gesundheitsschutz“, „fairer Handel“ und vor allen Dingen „Klimakrise“ zusammenzuarbeiten. Genau deswegen war unsere Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik, Jennifer Morgan, gerade in Peking, um darüber zu sprechen, welche Fortschritte wir bei der Klimakonferenz, der COP 28, gemeinsam mit China machen können.

Unsere China-Strategie ist ein Auftrag zum Handeln: gemeinsam mit der Bundesregierung, gemeinsam im Deutschen Bundestag, mit Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft und mit unseren Partnern in Europa und weltweit.

Herzlichen Dank. «


Quelle: Bulletin 104-1 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 29. September 2023

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